Die Regatta beginnt in Bogliaco mit mäßigem Wind, führt dann in den Norden, wo der legendäre Pelèr-Wind mit 20 Knoten und mehr weht, und dann in den Süden, wo es fast keinen Wind mehr gibt. Das richtige Boot für all diese Bedingungen zu finden (oder zu bauen), wurde im Laufe der Jahrzehnte von vielen Kampagnen in Angriff genommen und erweist sich als ein Sport für sich.
Die Wahl von Stella Maris ist der stark modifizierte Quant 30 DK-Lake Racer "Cold Duck". Das mit DSS-Foil ausgerüstete 10-Meter- Schiff ist um seine Kielbomve erleichtert ,hat Trapeze für vier Crew, die ganz aussen auf dem insgesamt 5,80 Meter langen Auslegern am Trapez hängen. Diese Ausleger sind auch ein struktureller Teil des Schiffs und dienen gleichzeitig als Aufnahme die Lasten vieler Schoten und Trimmleinen.
Auch die Auswahl und Entwicklung der richtigen Segel für diese verschiedenen Bedingungen ist entscheidend und oft ein mühsamer und zeitraubender Prozess.
Nach nunmehr 6 Jahren, in denen Nico Delle-Karths Gehirnzellen, viel handwerkliches Geschick sowie Hilfe von erfahrenen Seglern wie Martin Neidhardt in die Entwicklung des Bootes geflossen sind, ist "Cold Duck" nun bereit, es mit den mächtigen Liberas am Gardasee aufzunehmen.
Wir kommen also in Bogliaco am Gardasee an und stellen fest, dass die Ära der Liberas vorbei zu sein scheint. In diesem Jahr ist kein einziges Exemplar hier aufgetaucht.
Auch das Format des Rennens hat sich verändert. Anstelle eines langen Rennens (100 Seemeilen, wie der Titel suggeriert, wurden schon seit Jahren nicht mehr gesegelt), besteht die Centomiglia nun aus zwei 30-Meilen-Rennen. Eines in den Süden am Samstag und eines in den Norden am Sonntag.
Wir vermuten, die Idee ist, den morgendlichen Pèler zu nutzen, um im Süden bessere Bedingungen zu haben und die Rennen für die Crews attraktiver zu machen.
Also starten wir am Samstag recht früh nach Süden - nach einer kurzen Vorwindstrecke (einschließlich der Suche nach der Vorwindmarke) mit moderaten 10 bis 12 Knoten Wind und nicht dem besten Start unserer Karriere.
Nach einem kurzen Zwischenstopp, um ein verlorenes Crewmitglied wieder aufzunehmen (das Verfehlen des Trapezhakens passiert den Besten), kann "Cold Duck" mit 14 bis 17 Knoten Bootsgeschwindigkeit und einem beeindruckenden Winkel zum Wind etwas Abstand zur Flotte gewinnen. Aber unsere Hauptkonkurrenz, die voll foilende "Monofoil Gonet " von Eric Monnin und Ute Wagner ist bereits weit weg und nur noch als winziger Punkt vor uns zu sehen...
Der andere Hauptkonkurrent, die - im Gegensatz zu uns – ebenfalls voll foilende Quant QFX von Thomas Jundt, wurde gleich nach dem Start gesehen, wie sie das Großsegel barg, um ein Problem zu beheben, sie ist nun weit zurück...
Wir versuchen die Annäherung von Osten an die Wendemarke in Desenzano, müssen aber mehrmals zurück in die Mitte des Sees halsen. Irgendwie funktioniert der östliche Weg zur Wendemarke nicht so gut wie in früheren Ausgaben des Rennens und tatsächlich: Sobald wir wieder nach Norden fahren, braust die ganze Flotte nah am Westufer auf uns zu, wo normalerweise die Buchten von Salo und Manerba jedes Bisschen Wind aufsaugen, das den See herunterkommt. Also nehmen wir das Westufer.
Eric Monnin vertraut mehr auf seine Erfahrung (oder hat vielleicht lockende Stimmen gehört) und parkt seine Monofoil im Osten direkt vor der Baia delle Sirene.
Das ist unsere Chance. Zwischen Maderno und dem Ziel in Bogliaco steht ein auffälliges gelbes Haus am Westufer. Laut unserer genialen Gastcrew und Entwickler der "Cold Duck"-Modifikationen Leopold Fricke können wir genau dort die startende Ora, den (ebenso legendären) Nachmittagswind aus Süd auf dem Gardasee, erreichen. Wir müssen es nur noch mit dem dorthin schaffen, was vom verwindenden Pelèr übrig ist...
In der Zwischenzeit holt Thomas Jundt auf der Quant QFX ein Vorsegel an seinem Boot heraus, das ihn in den nun sehr leichten Bedingungen höher und schneller fahren lässt, als uns. Und plötzlich ist er wieder im Spiel und holt schnell hinter uns auf.
Aber das gelbe Haus (vin nun an "Hotel della partenza del' Ora" genannt) ist erreicht und damit erreicht auch Leopolds Weisheit Legendenstatus: Die Ora kpmmt auf und bringt uns als Erste über die Ziellinie!
Sonntagmorgen, gleicher Ort, besserer Start!
Diesmal Richtung Norden, nach Limone mit der Wendemarke vor «Corno di Reamol» mit dem bekannten Windsurfer Hotel.
Und im Gegensatz zu den Vorhersagen ist der Pelèr so stark wie immer, vielleicht sogar noch ein bisschen stärker. Das ist ein echter Test für Boot und Crew, die kurze steile Welle und über 20 Knoten Wind bringen das Material an seine Grenzen. Nico Delle Karth steuert "Cold Duck" mit regelmäßig 13 (!) Knoten Bootsspeed gegen den Wind.
Jetzt müssten wir eigentlich Fock und Großsegel reffen, um schneller (und sicherer) zu sein. Aber Reffen ist ein zeitraubender Prozess mit vielen Unwägbarkeiten, also beschließen wir statt dessen, die stärkeren Windfelder bis zur nördlichen Wendemarke zu meiden. Das bedeutet mehr Wenden. Öfter aus dem Trapetz, aushängen, fast sechs Meter zur anderen Seite über die Tranpoline rennen (oder gelegentlich auch krabbeln), Leinen ziehen, auf keine Leinen steigen, die gezogen werden und vor allem keine andere Crew über den Haufen laufen...
Zu unserer Freude können wir mit der Monofoil Gonet (die ein Stück weit vor uns liegt) und der Quant QFX (direkt hinter uns) mithalten und falleb an zweiter Stelle liegend beim Hotel Reamol wieder nach Süden ab.
Die meisten Skiffsegler erleben das Abfallen an der Luvtonne bei starkem Wind als das schwierigste aller Manöver. Dort erreichen wir vermutlich unsere Höchstgeschwindigkeit in diesem Rennen von 23,4 Knoten. Und dort ist es auch, wo wir in Führung gehen. Eric Monnin hat Probleme, sein Boot beim Manöver an der Luvmarke auf den Foils zu halten, muss mehrmals zum Abfallen ansetzen und verliert dabei deutlich.
Aber auch wir werden vor dem Wind mit einem neuen Verhalten von Cold Duck konfrontiert. Die im Bug liegenden Gehäuse unserer DSS-Foils scheinen sich mit reichlich 200 Litern Wasser zu füllen und drücken diesen hinunter die Wellen. Mehrmals kommt das Boot von 20 Knoten Geschwindigkeit fast zum Stillstand, die Crew fliegt umher oder sieht sich einem Berg von Wasser gegenüber, der sie überrollt.
Da wir nicht genau wissen, was uns vorne so schwer macht, ist pötzlich auch der Gedanke, dass wir sinken könnten da.
Also suchen wir wie auf dem Weg nach Norden wieder nach weniger rauen Bedingungen und beschließen, die Isola dei Trimelone auf der Innenseite zu passieren, bevor wir die letzte Marke bei Brenzone erreichen.
Und da sind wir immer noch in Führung!
Monofoil Gonet ist noch in Sichtweite, aber sie drosselt ihr Tempo, um nicht mit Kitefoilern zusammenzustoßen und sicher nach Hause zu kommen, die Quant QFX ist ein ganzes Stück weiter hinten.
Gegen die Ziellinie hin wird der Wind wie erwartet schwächer und geht schließlich ein. Auf den letzten Metern warten wir wieder auf die südliche Ora.
Auf die Zuschauer am Ufer, die vom Segeln wenig wissen, muss unser Sport als unglaublich langweilig erscheinen, wenn sie sehen, wie das erste Boot einer Regatta langsam über die Ziellinie kriecht, während der Rest der Flotte noch völlig außer Sichtweite ist, nicht ahnend, wie dramatisch es nur wenige Meilen zuvor zugegangen ist. Aber für uns war es ein fabelhaftes Erlebnis, dieses Mal mit dem guten Ende für uns!
Haben wir uns also einen langgehegten Traum erfüllt und die Centomiglia gewonnen?
Nein, haben wir nicht.
In einem für uns unverständlichen Schritt haben die Organisatoren dieser schönen Regatta beschlossen, ihre eigenen Traditionen zu ignorieren und die enormen Anstrengungen erfahrener Segler und fanatischer Bootsentwickler zu missachten und die beiden größeren Mehrrumpfboote, die an der Regatta teilnahmen, mitzuzählen.
So sind wir als drittes Boot über die Linie gegangen.
Und wir sind das erste Einrumpfboot. Was all die Jahre zuvor bedeutete, der Sieger der Centomiglia zu sein.
Das zu wissen, macht uns glücklich und zufrieden.
Jetzt geht es zurück zum One Design Racing in Mahon mit der ClubSwan 50. Darauf freuen wir uns sehr!